Cochemer Praxis

Inhalt

Was ist die Cochemer Praxis - Grundsätze/Arbeitsweise, Verfahren und Ablauf
Ziel - der Cochemer Praxis
Erfolg und Vorteile - der Cochemer Praxis
Verpflichtende Regeln - in der Zusammenarbeit bei der Cochemer Praxis
Weblink - zur Cochemer Praxis und kindgerechte Sorgerechtsverfahren

Was ist die Cochemer Praxis - Grundsätze/Arbeitsweise, Verfahren und Ablauf

Die Cochemer Praxis ist eine interdisziplinäre Schlichtungspraxis in Familienrechtsverfahren bei Trennung und Scheidung für kind- und elternzentrierte Lösungen. Die Kinder werden von beiden Elternteilen eigenverantwortlich und gemeinsam erzogen. Für die Kinder sollen beide Elternteile im Boot bleiben. Der Erfolg stellt sich nur dann ein, wenn die Eltern wie auch die beteiligten Professionen sich dem Kindeswohl im Mittelpunkt und der Kooperation verpflichten - und nicht dem Machtanspruch.            

Grundsätze/Arbeitsweise - nach der Cochemer Praxis

Strittige Anträge um das Sorgerecht, den Aufenthalt des Kindes und Umgang des Kindes mit den Eltern sollen heute nach diesem Modell bearbeitet werden. Im Mittelpunkt steht die Verpflichtung der Eltern, ihre elterliche Verantwortung gemeinsam zu gestalten im Beratungsprozess und eine einvernehmliche Lösung zu finden für das Kind und ihren Konflikt. Die Eltern werden unterstützt von allen beteiligten Professionen und aufgefordert, sich zu einigen und eine tragbare Lösung zu finden. Es wird auf eine aussergerichtliche Vereinbarung zur Wahrnehmung der Elternverantwortung hingearbeitet. Die Arbeitsweise befolgt den Grundsatz der frühen Intervention.

Verfahren und Ablauf - nach der Cochemer Praxis

Die Konflikteskalation soll vermieden werden. Gelingt eine aussergerichtliche Vereinbarung nicht, wird ein gerichtliches Verfahren eingeleitet. Die erste mündliche Verhandlung findet innerhalb von 14 Tagen nach Einreichung des Antrags statt - an der alle Beteiligten ausführlich Stellung nehmen können.

Während dieser zwei Wochen und vor dem Anhörungstermin führt ein/e Jugendamtsmitarbeiter/in ein Gespräch bei beiden Elternteilen mit Hausbesuch durch, bei dem auch das betroffene Kind anwesend sein soll. In Gesprächen werden die Eltern über den Verlauf des Verfahrens nach der Cochemer Praxis ausführlich informiert und motiviert, bereits im Vorfeld eine einvernehmliche Regelung zu finden.

Folgt keine Einigung der Eltern im Anhörungstermin, lässt das Familiengericht das Verfahren ruhen. Die Eltern werden aufgefordert, sich der Mediation zu verpflichten bzw. sich bei psychologischen Beratungsstellen eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Beratungsstellen sichern das erste Beratungsgespräch innerhalb der nächsten 14 Tagen nach dem Anhörungstermin beim Familiengericht zu.

In der Beratung sollen die Eltern mit professioneller Unterstützung motiviert werden, sich selbst auf alltagstaugliche Umgangsregelungen zu einigen und eine tragfähige Lösung zur Ausgestaltung ihrer elterlichen Verantwortung zu finden - ihre Kinder dauerhaft gemeinsam zu erziehen. Ein gemeinsamer Elternvorschlag wird mit einem weiteren Termin vor dem Familiengericht eingereicht, damit das Verfahren abgeschlossen werden kann. Sollte in  besonders schwierigen, hochstrittigen Fällen ein psychologischer Sachverständiger eingesetzt werden, versucht dieser, den Konflikt zu schlichten und einen Konsens durch Lösungsorientierung mit den Eltern zu erarbeiten. Eine Diagnose ist nicht sein erstes Anliegen. Dieser Prozess führt gerade in anfänglich hochstrittigen Fällen zu überraschend positiven Ergebnissen.

In Verfahren wegen Umgangs wird gleichzeitig nach Möglichkeiten gesucht, den ausgesetzten Umgang so schnell wie möglich auch für die Übergangszeit der Beratung wiederherzustellen. Der Umgang mit den Kindern wird während des Verfahrens nicht ausgesetzt. In Problemfällen werden Umgangsbegleiter eingesetzt.

Der Beratungsprozess soll in der Regel nicht länger als drei Monate dauern. Das Gerichtsverfahren kann mit einer Einigung in diesem Zeitpunkt sehr oft schon abgeschlossen werden. Erscheint eine Einigung der Eltern im Beratungsprozess nicht möglich zu sein, wird das Scheitern der Beratung dem Familiengericht umgehend mitgeteilt. Das Gericht trifft, soweit erforderlich, Entscheidungen zur Regelung der Streitigkeiten, möglichst ohne eine Verhärtung der Fronten zu provozieren und zeitlich befristet, um immer wieder die Eltern selbst in die Verantwortung zu rufen. Wenn in einer zeitnahen, erneut mündlichen Verhandlung wiederum keine Einigung möglich ist, wir ein Sachverständiger bestellt, der sich dem Qualitätsstandard verpflichtet. Gutachten werden lösungsorientiert mit den Eltern erarbeitet.

Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die ständige Anwesenheit und Vernetzung der beteiligten Professionen wird die Entwicklung des Verfahrens eng begleitet - um der Gefährdung des Kindes zu begegnen, Behauptungen zu begegnen und um Missverständnissen vorzubeugen.

Ziel - der Cochemer Praxis

Die Cochemer Praxis verfolgt das Ziel, dass Eltern miteinander reden, anstatt zu streiten. Die Eltern sollen die Verantwortung, für ihre Kinder Entscheidungen zu treffen, gemeinsam wahrnehmen und nicht den Institutionen überlassen, die an den familiengerichtlichen Verfahren beteiligt sind. Im Vordergrund steht das Wohl des Kindes. (Jürgen Rudolph)

  • Verfahrensbeschleunigung
  • Den Kindern beide Elternteile zu erhalten und diese Eltern auch in die Lage zu versetzen, die Aufgabe wahrzunehmen - das Kind dauerhaft und gemeinsam zu erziehen, auch wenn sich die Eltern getrennt haben
  • Mediation und Beratung für Eltern - die Eltern wieder ins Gespräch zu bringen wegen der Kinder, Stärkung der Elternautonomie und -verantwortung - oder diese wiederherzustellen,  auch gegen den Willen eines Elternteils
  • Die Interessen und Bedürfnisse der Kinder als gemeinsames Ziel zu wahren, damit sie ihre Beziehung zu beiden Elternteilen und deren Familien ungehindert leben können. Kinder brauchen beide Elternteile
  • Frühe Intervention und interprofessionelle Zusammenarbeit, Vernetzung und Vermittlung aller am Verfahren Beteiligter
  • Es wird auf eine aussergerichtliche Vereinbarung  zur Wahrnehmung der Elternverantwortung hingearbeitet. Am Ende eines Verfahrens muss eine Entscheidung der Eltern stehen und keine gerichtliche Entscheidung
  • Konsens- und lösungsorientiertes Verfahren - durch die Vermittlung
  • Die Kooperation der beteiligten Professionen als effektives Instrument der Konfliktlösung zu realisieren - diese soll überall obligatorisch werden
  • Verpflichtung der Staaten, die Cochemer Praxis einzuführen

Erfolg und Vorteile - der Cochemer Praxis

  • Eine hohe Erfolgsquote von mehr als 90 %.
  • Der Kindsmissbrauch, der Kontaktabbruch, die Eltern-Kind-Entfremdung, der Loyalitätskonflikt wird gestoppt - durch frühe Intervention.
  • Kind- und Elternzentrierte, zeitnahe Lösungen. Die Kinder verlieren keinen Elternteil. Die Eltern können ihre Verantwortung wahrnehmen und wieder miteinander sprechen. Es gibt weder Verlierer noch Gewinner. Verfahren können in fast allen Fällen innerhalb von sechs Monaten mit einer dauerhaften Lösung abgeschlossen werden.
  • Eltern und Kinder werden viel weniger belastet als bisher. Urteile werden viel weniger gefällt. Die Eltern können sich von Streitpositionen lösen. Die Kinder können gesund aufwachsen und haben die Chance, eine gute Beziehung bei beiden Elternteilen aufzubauen.
  • Kürzere Verfahrenswege durch die interprofessionelle Zusammenarbeit aller Beteiligten.
  • Frühzeitig erarbeitete Lösungen reduzieren die gerichtlichen Verfahren - Erst schlichten, dann richten. Folgeverfahren bleiben praktisch aus.
  • Sachverständige verpflichten sich zu lösungsorientiertem Arbeiten.

Verpflichtende Regeln - in der Zusammenarbeit bei der Cochemer Praxis

  1. Die Zusammenarbeit der Eltern wie der beteiligten Professionen:
    Für die Entscheidung der Eltern gibt es Wege und Möglichkeiten - Die Probleme sind immer wieder dieselben. Die Kooperation der beteiligten Professionen (Rechtsanwälte, Familiengericht, Familienberatungsstelle, Jugendamt, Psychologen, evt. Gutachter) als effektives Instrument der Konfliktlösung muss erlernt, gepflegt, gewartet und vermittelt werden können - damit sich die Professionen auf derselben Augenhöhe begegnen und gleichwertige Kompetenzen einsetzen können. Alle Beteiligten sollen dieselbe Information haben und sich für das Grundverständnis verpflichten können. Psycho-soziale Stellen müssen lernen, mit hochstrittigen Eltern umzugehen.
     
  2. Ziel muss sein, früh zu intervenieren, kontinuierlich und nachhaltig, die Eltern wieder ins Gespräch zu bringen wegen der Kinder, die Elternautonomie wieder herzustellen, auch gegen den Willen eines Elternteils. Ressourcen feststellen, lösungsorientiertes Arbeiten und frühe Intervention. Durch frühe Intervention wird die Eskalation vermieden und wir haben eine Situation, in der die Elternentfremdung noch nicht eingetreten ist. Es wird wenig geschrieben (kurze Anträge auf einem A4-Blatt) - es gibt andere Möglichkeiten. Soziale Dienste/Jugendämter besuchen die Familien.
     
  3. Es ist nachzuvollziehen (was sehr oft nicht gemacht wird und was eigentlich leicht zu verstehen ist), dass Kinder von beiden Eltern abstammen und immer verlieren, wenn nicht beide Elternteile erhalten bleiben - für das Kindeswohl. Wie das Kind muss auch die Elternrolle geschützt werden. Die Verantwortung lässt sich nicht entziehen, auch nach Entscheiden nicht - vgl. die Schutzlosigkeit des Kindes.
     
  4. Der Loyalitätskonflikt ist Kindsmisshandlung, betont Jürgen Rudolph, Initiator der Cochemer Praxis nach 30-jähriger Tätigkeit als Richter und Anwalt.
     
  5. Die Anwälte haben den Eltern zu sagen, ein Ziel wird nicht erreicht: das Ausblenden eines Elternteils aus dem Leben des Kindes. Die Anwälte beschreiben nur kurz auf einem A4-Blatt (!) die Positionen wie bspw. Umgangangsverweigerung in ihren Anträgen und einen Satz dazu, warum. Sie verzichten auf seitenlange Berichte, schmutzige Wäsche zu waschen, sie verzichten auf das Ping-Pong und setzen nicht auf den Sieg ihres Mandanten. Es soll keine Entscheidungen mehr zur elterlichen Sorge geben, diese sind zu ersetzen durch die Verantwortung. Die elterliche Sorge wird nicht mehr zur Disposition gestellt, weil die Anwälte gar keine Anträge mehr stellen (Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter). Es geht um die konkreten Probleme, worum geht es hier (Umgangsprobleme, Umzugsprobleme..etc.) Jeden Punkt kann man konkret formulieren.
     
  6. Der Richter duldet kein Verhalten, das geeignet ist, bestehende Konflikte zu festigen oder neue Konflikte zu erzeugen. Umgangsverweigerung oder Beeinflussung der Kinder erkennt der Richter als eine Form der Kindsmisshandlung.
     
  7. Wenn erreicht wird, den Kindern beide Elternteile zu erhalten und diese Eltern auch in die Lage zu versetzen, ihre Aufgabe wahrzunehmen, kommen ganz andere Resultate hervor.
     
  8. Ohne Verpflichtung wird es nicht gehen. Der Appell an die Eltern genügt nicht.

Weblink

Jürgen Rudolph, Familienrichter a.D., „Vater“ der Cochemer Praxis, über kindgerechte Sorgerechtsverfahren:


Ursula Kodjoe, Dipl. Psychologin / Mediatorin, Teammitglied der Cochemer Praxis https://www.ursula-kodjoe.de/zur-person/